Das Potenzial eines städtischen Hauses liegt in seinem Beitrag zu einem interaktionsreichen und vielfältigen Lebensumfeld. Zwar vereint der Masterplan unterschiedliche Programme und Gebäudetypen an einem kollektiven Hof, die 145 Meter lange, monofunktionale Wohnscheibe auf dem Baufeld 2.3 scheint aber zunächst einer urbanen Vielfalt entgegenzuwirken. Dem muss nicht so sein! Diversität wird hier durch unterschiedliche Wohntypen in reger Nachbarschaft erreicht: Die Maisonette-Wohnungen mit eigenem Vorplatz und die Geschosswohnungen mit 2.5 - 5.5 Zimmern haben je eigenständige Qualitäten für verschiedene Lebensmodelle.
Die Wohnungstypen werden im Schnitt gestaffelt –von gross nach klein, so dass ein Ausdünnen des Volumens nach oben erfolgt, aber auch heterogene Treppenhausgemeinschaften entstehen. Unterschiedliche Typen von privaten und geteilten Aussenräumen erweitern das reichhaltige Wohnangebot. Neben dem gemeinschaftlichen Hof und dem privaten Vorhof gibt es leicht erhöhte Terrassen zum Gleispark, Balkone, Terrassen auf Gebäuderücksprüngen, eingezogene Loggien und die gemeinschaftliche Dachterrasse. So entsteht Kleinräumigkeit, Nachbarschaft und Reichtum in der Grossform.
Die städtebauliche Bearbeitung des Projekts erfolgt im architektonischen Massstab. Auch wenn wesentliche Entscheide mit dem Gestaltungsplan und dem Regelwerk bereits getroffen wurden, bleibt die Notwendigkeit für eine stadträumliche Deutung und Prägung des Baukörpers durch die Architektur. Dabei spielen Fragen von Proportion und Plastizität zur Verzahnung des Gebäudes mit dem Stadtraum, seine Ausstrahlung in Fern- und Nahwirkung sowie die programmatische und räumliche Interaktionsfähigkeit eine entscheidende Rolle.
Das Regelwerk für Volta Nord knüpft auf überzeugende Art an die jeweiligen Eigenheiten von St. Johan und Lysbüchel an. Und doch verlangt die bauliche Transformation im Gebiet Volta Nord nach eigenen Bildern. Ein reines Festhalten an Motiven der Gründerstadt, wie auch ein verklärtes Referenzieren auf Gewerbebauten bliebe eindimensional und vergäbe die Chance auf einen neuen Stadtbaustein, der verbindenden Charakter hat, ohne eigenschaftslos zu sein. Eingebettet in einen hybriden Stadtblock muss die lange Wohnzeile gleichermassen als einzelnes Haus, wie auch innerhalb des Ensembles im Block Wirkung entfalten.
Rückzug und Offenheit
Die im Schnitt gestapelten Wohnungstypen mit jeweils eigenen Qualitäten eint einiges: Alle Wohnungen spannen von Park- zu Hofseite und profitieren damit von unterschiedlichen Stimmungen und Bezügen. Sie verbindet eine innere Offenheit sowohl räumlich als auch hinsichtlich ihrer Aneignung. Zwei Wege durch die Wohnung erhöhen die Deutbarkeit der Räume. Nutzungsneutrale Zimmer verbinden sich mit einer offenen Wohnzone, die je nach Belegung unterschiedliche Bedürfnisse auf kompaktem Raum abdecken kann.
Der «Halbhof» definiert nun alle Wohnungen als jeweils eigenständige Einheit. Ergänzend zur Querrichtung baut sich innerhalb der Wohnung eine Tiefenstaffelung sowie ein Selbstbezug auf. Erkerartige Räume ermöglichen Blicke in die eigene Wohnung aber auch in die Länge des kollektiven Hofraums. Es entsteht eine intime Welt, ohne dabei den Kontakt zum Siedlungsraum zu verlieren. Nahezu alle Wohn- und Schlafräume können ruhig belüftet werden, ohne dass sich die Wohnung vom Parkraum abwendet. Ab dem dritten Obergeschoss erweitert die Küche mit Bandfenstern den Essbereich nach Westen. Direkt daneben ist Baden mit Tageslicht möglich. Die Bandfenster zelebrieren die Stadtansicht in der Wohnung und den Ausblick in die Weite. Die Zwänge der Ausgangslage werden mit räumlichem Reichtum beantwortet. Teilhabe und Rückzug können zu beiden Seiten selbst gesteuert und immer wieder neu eingestellt werden. Bei Änderungen der Lebenskonstellation lässt sich ein Raum ohne weiteres auch kurzfristig abtrennen und damit individuell nutzen. Die niederschwellige Flexibilität ohne Umbau eröffnet den Bewohnenden die Gelegenheit, ihr Zuhause immer wieder neu an ihre Bedürfnisse anzupassen und sich so über einen längeren Zeitraum einzunisten.
Projektwettbewerb im Einladungsverfahren, Volta Basel, Baufeld 2.3, 1.Preis
Wettbewerb 2021-2022, Planung und Ausführung 2022-2027
Bauherrschaft: SBB Immobilien
Projektteam:
Donet Schäfer Reimer Architekten GmbH
Takt Baumanagenemt AG
Ferrari Gartmann AG
Partner Ingenieure AG
Waldhauser + Herrmann AG
Probst+Wieland AG
BAKUS Bauphysik + Akustik GmbH
Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure AG
Studio Céline Baumann
Studio Durable
Control AG